Willkommen im Woadl-Tal
Diese Überschrift wird wohl dem ein oder anderen Einheimischen bereits ein Lächeln ins Gesicht zaubern und allen anderen wohl eher ein Fragezeichen auf die Stirn. “Woadl-Tal” – was soll das denn heißen?! Die Aufklärung dazu könnt ihr in diesem Blog lesen, den wir dem Wipptaler Dialekt widmen möchten. Obwohl viele Ausdrücke in den einzelnen Tälern etwas abweichen, es lässt sich doch das gesamte Tal in einem Dialekt zusammenfassen. Wir möchten hier keine Sprachwissenschaft betreiben, aber kurz ein paar Betrachtungen über diese Mundart machen.
Dialekt fasziniert
Es gibt sehr viele typische Sprachformen in unserer Gegend, um hier eine Überblick zu bekommen, bedienten wir uns der Hilfe des Heftes “Dahoame” zum Thema Dialekt, das 1994 von der Landeshauptschule Gries am Brenner herausgegeben wurde. Wir übernehmen hier auch die Schreibweise der Mundart-Wörter, die auf das vorhandene Alphabet zurückgreift. Es werden vor allem heimische Wörter dargestellt, die der jüngeren Bevölkerung wahrscheinlich auch oft nicht mehr geläufig sind, aber von deren Eltern oder Großeltern sehr wohl noch verwendet werden. Dennoch glauben wir, dass dieses Thema für alle Altersgruppen sehr interessant ist und wir auch eine gewisse Verantwortung haben, den örtlichen Dialekt an unsere Nachkommen weiterzugeben. Es ist ja ein Stück unserer Wipptaler DNA und ich wage zu behaupten, die meisten unter uns sind stolz darauf.
Mundart ist Beharrlichkeit mittels Sprache
Interessant ist die Langlebigkeit vieler Wörter und Sprachformen über die Jahrhunderte hinweg. Ortsnamen wie Schmirn oder Matrei sind laut Forschungen möglicherweise schon über 2.000 Jahre alt und stammen aus der römischen bzw. vorrömischen Zeit. Auch andere Ortsnamen, wie Vinaders oder Vals haben sich in den letzten 1.000 Jahren nicht verändert. Und obwohl wir schon 250 Jahre lang die Hochsprache Deutsch in Schrift und Wort in der Schule lernen und aus Fernsehen, Radio und anderen Medien nichts anderes hören – der Dialekt lebt immer noch, obwohl er nur unbewusst erlernt wird. Wenn wir seit 100 Jahren “Steinach” und “Innsbruck” lesen, schreiben oder hören, sagen wir Einheimischen doch Schtoanach und Innschbrugg dazu. Die Ursache liegt vermutlich in der sozialen Funktion der Mundart, die laut Wissenschaft das Wirgefühl des ländlichen Volkes stärkt. Der Dialekt ist fest verwurzelt in längst vergangenen Jahrhunderten und hält immer noch fest an den örtlich ausgeprägten Sprachformen.
Die Lautung unserer Mundart
Gegenüber der Hochsprache werden in unserem Dialekt viele Laute anders gesprochen. Diese hier alle anzuführen, würde den Rahmen sprengen. Daher ein paar ausgewählte Beispiele:
- Unser “a” wird als o gesprochen und weiter hinten betont: Wand > Wond, Hand > Hond, aber > ower
- Das “ie” und das “ü” im Inlaut werden als ia gesprochen: fliegen > fliagn, Krieg > Kriag, müde > miade
- Bei “h” wird es ch: ziehen > ziachn, roh > roach und “ck” wird gg: Brücke > Brugge, Ecke > Egge
- Das “fst” am Ende wird bsch: darfst > darbsch, hilfst du mir > halbsch ma
- Das “st” wird zu sch: du hast > du hosch, du wirst > du wearsch, es ist > es isch
- Das “ei” wird häufig zu oa: eins > oans, klein > kloan, Schrei > Schroa
Andere Sprachregeln
Die Wipptaler Mundart folgt definitiv nicht den üblichen Sprachregeln der Deutschen Sprache. Dazu auch ein paar Beispiele:
- Die Fälle der Hauptwörter werden anders gebildet:
der Baum > da Baam, des Baumes > vuun Baam, dem Baum > in Baam, den Baum > in Baam - Bei der Mehrzahlbildung von Hauptwörtern kommt am Ende ein “e” dazu:
die Bäume > di Baame, die Hände > di Hennte, die Hunde > die Hunnte - Männliche Vorwörter verschmelzen mit den Artikeln:
auf dem Dach > aafm Dooch, neben dem Stall > neibmen Schtool - Die Fürwörter erreichen eine besondere Vielfalt:
wir wollen > miar wellen, wenn wir wollen > wemmer wellen, wollt ihr? > wellz? oder welltetz? - Eigenschaftswörter bekommen am Ende das typische “e“: Es ist schön > Es isch schiane.
- Zeitwörter verschlucken das “e” und enden in manchen Tälern ohne “n”:
zappeln > zwoozl(n), herrichten, schön machen > autaggl(n), sich rühren > se riigl(n) - Ein “e” ersetzt oft das “du” im Satz:
Möchtest du kosten? > Meggsche koschten?, Wirst du wohl folgen! > Wearsche wol folgn!
Was hat es jetzt mit dem “woadl” auf sich?
Dieses sehr häufig gebrauchte Wort enttarnt jeden Wipptaler – denn es wird nur hier verwendet. “Woadl” oder “woadla” bedeutet so viel wie “gerade eben”, “derweil”, “einen Moment” oder “eine kurze Zeit”. Und da das Wort für die Wipptaler Bevölkerung so speziell ist, ist schon das eine oder andere Mal vom “Woadl-Tal” die Rede gewesen. Hier ein paar Beispiele für den Gebrauch, um das besser zu verstehen:
- Er ist gerade nicht da. > Er isch woadl nit doo.
- Warte kurz. > Wort woadl.
- Das weiß ich gerade eben nicht. > Des woass i woadl nit.
Ein paar bei uns übliche Ausdrücke
Das Thema Mundart im Wipptal lässt sich wohl noch ewig weiter auslegen und man könnte auch ein eigenes Wörterbuch für die bei uns üblichen Ausdrücke machen. Wir haben ein paar noch sehr geläufige Wörter ausgewählt, die wir hier auflisten möchten:
- ainkentn > einheizen (im Bauernhofen, Kachelofen)
- Baißwurm > Kreuzotter
- Bischl > Blumen
- damisch > störrisch, eigensinnig
- dirmig oder dürmig > schwindlig
- Fokke > Schwein
- gaach > schnell
- geblangig > naschsüchtig
- Glaan > Preiselbeeren
- Gobate > Schneeverwehung
- grampln > unnützes Zeug kaufen
- Gschtrabbl > Stress
- Gugger > Fernglas
- haale > rutschig
- haagn > heuen, Heu machen
- Hoagerscht oder Hoangerscht > Plausch, Unterhaltung
- Huar > Schimpfwort, aber in Gschnitz auch Ausdruck für Freund/Kumpel
- krefl > kriechen
- Kuise > Kuh
- marenten > am Nachmittag jausnen
- Murfl > Mund
- olm > immer
- schbeare > trocken
- Tschuutschelle > Fichtenzapfen
- Umassn > Ameisen
- unhilfl oder unhilfla > ungeschickt
- wolltan > völlig
- zarschtig > anschmiegsam
- ….
Und so weiter und so fort. Wer noch genauer über die Wipptaler Mundart nachlesen möchte, wir empfehlen das oben bereits genannte Heft. Es kann in der Schulbibliothek in der Neuen Mittelschule Gries am Brenner ausgeliehen werden: Dahoame – Heft 1: Dialekt, H. J. Jungwirth, Landeshauptschule Gries am Brenner (1994)
Wenn ich diese Ausdrücke lese, bekomme ich richtig Heimweh nach dem Wipptal. Ich lebe seit 20 Jahren in Deutschland, aber natürlich sind mir alle Begriffe noch geläufig, wenn ich sie auch nicht mehr benutze.
Liebe Johanna, kommt doch mal auf Heimaturlaub ins Wipptal zurück, im Grunde hat sich hier in den Tälern nicht so viel verändert 🙂 LG Judith
Ma.. iatz bin I schu fåscht zwoa Jåhr nimma Dahoam gwesn. Måch grod (woadl) a Volontariat in Zambia, Afrika, und wo I den Artikel glesn hun, håb I nomal gspiat, wias sich Dahoam im Dorf angfühlt håt. Då kriagsch jå Hoamweh. Selber red I jå fåscht koan Dialekt mea, mei Frau isch vu Innsbruck und sie selber håt fåscht koan Dialekt. Då passt ma sich hålt automatisch ån. Des håt ma richtig taugt, “Vergelt’s Gott!” für den Artikel!
Danke für dein Kommentar. Freit mi, wenn da der Blog gfallen hot und alles Guate noch Zambia. Hoffentlich kimmsch bold wieda amol hoam nach Joas 🙂 LG Judith