Eine Woche Grenzwanderung in Obernberg

Obernberg ist ein westliches Seitental des Wipptals und mit ca. 350 Einwohnern eine kleine Gemeinde inmitten der Tribulaun-Berggruppe. Mit vielen spannenden Wanderwegen und einer einmaligen Naturlandschaft ist das Tal perfekt, um dort eine Woche zu wandern. 

Tag 1: Zum Obernberger See
Wir kommen am späten Nachmittag mit dem Bus beim Gemeindeamt neben der Kirche in Obernberg an und machen noch eine kleine Nachmittagswanderung vom Dorf (1.394 m) entlang des Seebach-Weges und dann hinauf über den Wiesensteig zum landschaftlich wunderschönen Obernberger See auf 1.516 m. Der 16 ha große und etwa 12 m tiefe See entstand durch einen nacheiszeitlichen Bergsturz und wurde durch einen weiteren Bergsturz in zwei Teile geteilt. Die Frischwasserzufuhr erfolgt durch kleine Bäche, großteils aber durch unterirdische Quellen. Der See leert sich lediglich durch unterirdische Abflüsse. An heißen Tagen lädt der etwa 12 Grad warme See zum Baden ein – wenn auch nur kurz aufgrund der frischen Wassertemperaturen. Angekommen am See führt ein Rundweg über die Seekapelle zum südlichen Seeende und wieder zurück.
Wanderzeit: ca. 3 h; Strecke: 8,6 km; Höhenmeter auf/ab: 260 m

Der Obernberger See am Nordufer

Tag 2: Obernberg – Portjoch (2.165 m) – Fradertal – Obernberg
Nach dem Frühstück packen wir unsere Jause ein und wandern oberhalb des Obernberger Sees hinauf zum Portjoch/Forcella di Porto (2.110 m). Am Kamm angekommen überqueren wir die seit 1919 bestehende Grenze zwischen Österreich und Italien, die hier auch Nord- und Südtirol trennt. Wir wandern unterhalb des Kamms auf italienischer Seite weiter und sehen hinab in das Pflerschtal/Val die Fleres mit dem Dorf St. Anton/San Antonio. Nach einigen Metern wird der Weg breiter und führt als verfallene Militärstraße zu weitläufigen, nicht mehr aktiven Bunkeranlagen. Die historische monumentale Grenzbefestigung auf 2.000 m Höhe wurde als Alpenwall nach dem 1. Weltkrieg errichtet, um Italien, zu dem nun auch Südtirol gehörte, gegen direkte Angriffe des Deutschen Reiches aus dem Norden zu schützen. Ab Ende Jänner 1940 gab es in Südtirol ein ausgebautes Verteidigungssystem mit 66 Anlagen.
Wir folgen der fast ebenen Militärstraße weiter bis zum Sandjoch/Passo del Santicolo (2.165 m). Jene mit übrigen Energiereserven folgen dem Steig noch weitere 200 Höhenmeter hinauf bis zum Hohen Lorenzenberg/Monte San Lorenzo (2.315 m), während die anderen am Joch warten. Nach einer Stunde stoßen wir wieder zu den Zurückgebliebenen, queren am Sandjöchl wieder zurück auf die österreichische Seite des Alpenhauptkamms und gehen hinunter zum See und zurück nach Obernberg.
Wanderzeit: ca. 7 h; Strecke: 14,2 km; Höhenmeter auf/ab: 900

Tag 3: Obernberg – Pflerscher/Italienische Tribulaunhütte (2.369 m)
Mit dem Bus fahren wir von Obernberg zum Bahnhof Steinach im Haupttal, von dort mit dem Regionalzug Richtung Süden nach Gossensaß/Colle Isarco und mit dem Bus von dort in das Pflerschtal/Val di Fleres hinein. Am Talende in Außerstein beginnt unsere heutige Wanderung, die uns 3 Tage lang in die Berge von Hütte zu Hütte begleiten wird.
Der Weg bringt uns in einer angenehmen Steigung nach oben, bald überblicken wir das gesamte Tal. Nach einer Mittagspause stehen wir plötzlich vor einer massiven Dolomitwand, dem Tribulaunmassiv. Der französische Geologe Déodat de Dolomieu (1750–1801) erforschte hier im Obernberg- und Pflerschtal das Gestein und fand heraus, dass es sich nicht einfach um Kalkstein handelt, sondern das Gestein neben Kalzium auch mit Magnesium versetzt ist. Das bisher unerforschte Gestein wurde nach ihm als “Dolomit” benannt.
Nach weiteren 10 Minuten unterhalb des Tribulauns kommen wir zu unserem heutigen Hauptziel, der Pflerscher oder Italienischen Tribulaunhütte/Rifugio Cesare Calciati al Tribulaun. Hier bleiben wir die Nacht über und genießen die wunderbare Mischung aus italienischem und österreichischem Essen. Nordwestlich der Hütte befindet sich der Sandessee, aus dem auch das Trinkwasser für die Hütte kommt und in dem gebadet werden kann. Zumindest für alle, die kaltes Wasser mögen.
Die Alpenvereinshütte gehört dem Club Alpine Italiano. Die erste, noch kleine Tribulaunhütte, wurde 1892 von der Alpenvereinssektion Magdeburg in Deutschland errichtet. Sie sollte Ausgangspunkt für die Besteigung des Pflerscher Tribulaun dienen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Sektion entschädigungslos durch den italienischen Staat enteignet und die Hütte später der Sektion Cremona des italienischen Alpenvereins übertragen. Diese übergab sie 1949 der Sektion Sterzing/Vipiteno des italienischen Alpenvereins. 1961 wurde die Hütte erweitert, jedoch bereits 1964 im Zuge der Befreiungsattentate in Südtirol durch das Militär besetzt und erst 1972 an die Sektion zurückgegeben.
Wanderzeit: ca. 4 h; Strecke: 10,6 km; Höhenmeter auf: 1.000

Blick von der Grenze am Sandesjöchl zur Pflerscher Tribulaunhütte mit Sandessee

Tag 4: Sandesjöchl (2.599 m) – Gschnitzer/Österreichische Tribulaunhütte (2.064 m)
Heute haben wir einen spektakulären Tag vor uns, der uns über den Grenzkamm von Italien nach Österreich zur ca. 2 km entfernten Gschnitzer bzw. Österreichischen Tribulaunhütte führt. Dazu nehmen wir den Weg hinter der Hütte auf das Sandesjöchl mit 2.599 m. Hier, zwischen Italien und Österreich, haben wir wieder einen beeindruckenden Blick auf den Gschnitzer Tribulaun und sehen auch schon unser heutiges Hüttenziel. Im steilen Weg nach unten folgen wir dem Tiroler Höhenweg/Alta Via, der uns immer wieder einen Blick auf Steinböcke bietet. Auf der Gschnitzer bzw. Österreichischen Tribulaunhütte, die auch auf der Gschnitztaler Hüttentour liegt, erwartet uns schon das feine Essen von Wirtin Verena.
Die Hütte wurde 1919 von den Naturfreunden errichtet. 1935 wurde sie durch eine Lawine zerstört und neu errichtet. 1940 kam die Hütte an den Deutschen Alpenverein Sektion Bamberg, wurde jedoch nach dem 2. Weltkrieg durch die Naturfreunde zurück gekauft, die nach einem weiteren Lawinenabgang 1975 die neue Tribulaunhütte errichteten.
Wanderzeit: 4 h; Strecke: 3,6 km; Höhenmeter auf:  220 und ab: 550

Blick zur Gschnitzer Tribulaunhütte

Tag 5: Gschnitzer/Österreichische Tribulaunhütte – Gstreinjöchl (2.540 m) – Obernberg
Hinter der Tribulaunhütte steigen wir steil auf zum Gstreinjöchl mit 2.540 m. Hier machen wir Pause und schauen bereits hinunter in das Obernbergtal. Nach einer Jause hinter dem Joch steigen wir ins Tal ab.
Wanderzeit: ca. 6 h; Strecke: 12,2 km; Höhenmeter auf: 500 und ab: 1.100

Gschnitzer Tribulaun vom Gstreinjöchl aus

Tag 6: Obernberg – Lichtsee – Rötenspitze (2.481 m) – Obernberg
An unserem letzten Wandertag geht es nach dem Frühstück hinauf zum Lichtsee auf 2.101 m, den wir über einen steilen aber wunderschönen Steig durch Lärchenwiesen und Bergmähder erreichen. Bergmähder sind teils steile Wiesenflächen im Hochgebirge, die für eine Beweidung ungeeignet sind, jedoch früher für Bergbauern eine wichtige zusätzliche Fläche zur Gewinnung von Heu für das Vieh darstellten. Da die Flächen aufgrund ihrer Lage nicht gedüngt werden können, ist dort eine unglaubliche Pflanzenvielfalt zu finden. Am Lichtsee essen wir unsere Jause, und alle, die sich im Wasser erfrischen möchten, springen kurz in den kalten See. Über die Kastneralm gehen wir wieder zurück ins Dorf nach Obernberg
Wanderzeit: ca. 7 h; Strecke: 12,4 km; Höhenmeter auf/ab: 1.000

Nach einer wunderbaren Woche geht es wieder nach Hause, mit unvergesslichen Erinnerungen an das Wipptal und Obernberg. Die genannten Hütten haben noch bis Anfang Oktober geöffnet, ein Besuch lohnt sich auch noch im September wenn das Wetter und die Bedingungen passen. 🙂

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Kategorie : Bergleben, Sport

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