Edle Tropfen aus dem Wipptal
Die große Leidenschaft von Vinzenz Eller aus Steinach ist das Herstellen von qualitativ hochwertigen Edelbränden. Die Erzeugung findet etwas versteckt in einem kleinen Gartenhäuschen statt. Letzte Woche wurde der Meisterwurz fein gebrannt – und dazu war ich eingeladen.
Vinzenz bereitet gerade das Brennholz vor, als ich komme. Am besten geeignet sei Laubholz, vor allem Buche, erklärt mir Vinzenz. Wir treten ein ins Reich des „Schnapsbrenners“ – ein schöner Kupferkessel steht auf dem Herd. Nachdem Feuer gemacht wurde, kommt der Raubrand in den Kessel und wird erhitzt. Der erste Brennvorgang der Maische – einer Mischung aus Äpfeln und Meisterwurzen – hat bereits statt gefunden. Die Maische musste vorher ca. 4 Wochen in einem Fass gären.
Ich frage nach, wie viele Sorten Edelbrand Vinzenz neben der Meisterwurze dieses Jahr gebrannt hat. „Williams-Birne, Apfel, Vogelbeere und ein bisschen Enzian“, ist die Antwort des rüstigen 80-Jährigen. „Das Sammeln und Verarbeiten der Vogelbeeren und das Ausgraben und Putzen der Meisterwurzen ist die zeitaufwändigste Arbeit“, erklärt er.
Mein persönlicher Favorit ist der Meisterwurzbrand. Die ätherischen Öle, die diese Wurzeln enthalten sind einfach einzigartig und nach Meinung des Brenners auch sehr gesund, vor allem als vorbeugendes Mittel gegen Erkältung und als Arznei bei Magen- und Darmbeschwerden.
Nach etwa 30 Minuten riecht es im urigen, zirbenholzgetäfelten Stüberl bereits köstlich, die ersten Tropfen Meisterwurz-Feinbrand fließen aus der Leitung in den Messbehälter. Vorlauf nennt sich dieser ca. 80%ige Alkohol, er wird extra abgefüllt und ist für die Edelbrandherstellung ungeeignet. Man kann den Vorlauf jedoch als Ansatzschnaps zum Einreiben verwenden – es wird also nichts verschwendet.
Langsam verringert sich der Alkoholgehalt und das „Herzstück“ fließt in die Flasche. Vinzenz benötigt den Messstab nur zum Kontrollieren, er kann allein durch Nippen an einer kleinen Kostprobe den Gehalt bestimmen. Für mich ist das erstaunlich, aber Vinzenz errät die Alkoholprozente jedes Mal ganz genau. „Das ist Erfahrung“, meint er ganz bescheiden, immerhin habe er bereits seit 1990 eine Brenn-Genehmigung.
Erfahrung, die er bereits weiter gegeben hat an seinen Freund Franz Hörtnagl aus Navis. Franz war schnell von dieser Leidenschaft infiziert. Während Vinzenz die Brennerei im kleinen Stil betreibt (seine Brände werden hauptsächlich im Freundes- und Bekanntenkreis verkauft), ist Franz mittlerweile ein professioneller und mehrfach prämierter Edelbrenner. Seine Brennerei im Navistal (www.haushoertnagl.at) hat weit über die Wipptaler Grenzen hinaus einen ausgezeichneten Ruf. Franz hat immer noch regen Kontakt mit Vinzenz, vor allem in der Herbstzeit, wenn es darum geht, die Früchte und Wurzeln einzumeischen – man spricht sich ab und berät sich gegenseitig.
In der Familie Hörtnagl helfen alle mit bei der Edelbranderzeugung. Vor allem Tochter Victoria teilt das hochprozentige Hobby ihres Vaters, sie ist diplomierte Edelbrandsommelière und experimentiert gern auch mal mit neuen Sorten, z.B. einer Mischung aus Chili und Gin, dem so genannten „Dschin“.
Ich nippe noch einmal am köstlichen Meisterwurz-Feinbrand von Vinzenz, der jetzt noch etwa 1 Monat ruhen muss, bevor er auf die trinkfertigen 42 % eingerichtet wird. „Wichtig ist, dass man dazu wenig kalkhaltiges Wasser verwendet“, verrät mir Vinzenz noch. Ich bestelle schon mal 1 Fläschchen Meisterwurz, damit ich ohne Erkältung über den Winter komme.