Das Molybdän-Bergwerk im Valsertal
Hoch oben in den Wipptaler Bergen wurde ein Bergwerk errichtet
Vom Bergsteigergdorf St. Jodok abzweigend durch das Valsertal hinein zur Touristenrast und 2 Stunden zu Fuß hinauf auf die 2.324m hohe Geraer Hütte bringt uns dem ehemaligen Bergwerk näher. Weitere 600 Höhenmeter am Weg hinauf zur Alpeiner Scharte an der Dauerfrostgrenze auf 2.805 m liegt der verschlossene Eingang des ehemaligen Molybdänstollens mit seiner bewegten Geschichte.
Bereits 1774 beschreibt der Tiroler Kartograph Peter Anich eine dortige Molybdänlagerstätte. Molybdän (von griechisch „Blei“) fand lange Zeit keine Bedeutung. Ende des 19. Jahrhunderts bemerkten jedoch Mitarbeiter eines französischen Stahlwerks die ungewöhnliche Härte, Korrosions- und Hitzebeständigkeit. Somit bekam Molybdän eine große strategische Bedeutung als Legierungselement in der Stahlbeschichtung. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Rüstungsindustrie durch ein Embargo von Molybdänimporten abgeschnitten. Aufgrund der überaus wichtigen strategischen Bedeutung dieses Rohstoffes veranlasste das Deutsche Reich die sofortige Erschließung neuer Lagerstätten im Reichsgebiet. Die Universität Innsbruck prophezeite in einem Gutachten für das Reichsamt für Bodenforschung einen Schatz, auf den Deutsche Reich nicht verzichten konnte, selbst wenn die Hochgebirgsregion für einen Grubenbetrieb sehr wenig geeignet war.
Als Folge begannen 1941 die Treibacher Chemische Werke AG aus Feistritz mit der Erkundung der Wipptaler Lagerstätte. 1942 erfolgte die Gründung der Tiroler Erzbergbaugesellschaft m.b.H. mit Sitz in St. Jodok, 1943 übernimmt die Sachsenerz Bergwerksgesellschaft m.b.H. aus Freiberg einen Anteil an der Tiroler Erzbaugesellschaft. Durch vorhergegangene Erkundungen an der Oberfläche wurde das Molybdänvorkommen in einer Längsausdehnung von 700, einer Breite von 400 und eine senkrechte Höhe von 350m erwartet. Dieses relativ kleine Volumen bildet die Pyramide des 3117m hohen Alpeiner Schartenkopfs. Zur Erschließung der Lagerstätte waren neue Infrastrukturen nötig. So wurde neben dem Stollen eine 6km lange Materialseilbahn zur Aufbereitungsanlage bei der Nockeralm, ein Wasserkraftwerk im Tal mit einer Stromleitung zum Bergwerk hinauf sowie Arbeitsbaracken errichtet. 50 Tonnen Material pro Stunde sollten so transportiert werden. Von den 140 Arbeitern waren neben Einheimischen und Italienern der Großteil Zwangsarbeiter aus Osteuropa. Die Arbeit im Hochgebirge war hart. Im Winter mussten oft meterhohe Schneewände überwunden werden. Ein Vorarbeiter beklagte, dass pro Monat 10 bis 15% der Männer ausfielen, weil sie den Strapazen des hochalpinen Klimas körperlich nicht gewachsen waren.
Seilbahnstütze beim Molybdänbergwerk
Während die Arbeiten immer weiter fortschritten, wurde bald klar, dass nicht einmal annähernd ein großer Molybdänschatz an der Alpeiner Scharte zu finden sein würde. Aber noch bevor der wirkliche Abbau auch der geringen Menge begann, war der Krieg zu Ende. Kein Gramm Molybdän aus dem Wipptal härtete damit jemals deutschen Stahl. Nach dem Zweiten Weltkrieg fielen die Preise dramatisch, sodass der Abbau an der Alpeiner Scharte vollkommen geschlossen wurde. Sämtliche verwertbare Anlagen wurden abtransportiert und fanden an anderen Bergbaustandorten Verwendung. Heute zeugen nur noch das verschlossene Stollensystemen, die stufenförmigen Planierungen der Arbeiterbaracken, das markante Seilbahngerüst und die Bahnschneise vom ehemaligen Bergwerk. Die Aufbereitungsanlage bei den Nockeralmen 1989 im Tal wurde gesprengt.
Am Weg zur Geraer Hütte
Quellen:
Helga Beermeister (2016): St. Jodok, Schmirn- & Valsertal (= Alpingeschichte Kurz und Bündig), Innsbruck. Online unter www.bergsteigerdörfer.at
Florian Gasser (2010): Stollen für den Sieg, in: Die Zeit 29. Online unter www.zeit.de/2010/29/A-Bergwerk
University of Innsbruck (o.J.): Der Probebergbau unter der Alpeiner Scharte. Online www.uibk.ac.at/geologie/schausammlung_cs/alpeiner-scharte.html