Sticken ist auch Männersache

Bei einem Platzkonzert in Schmirn bekam ich eine Einladung in die Heustadel-Galerie des Künstlerehepaars Staud. Was mich dort erwartete, hat mich sehr beeindruckt und widerlegt das Vorurteil, dass die Arbeit mit Nadel und Garn Frauensache ist.

Ganz unscheinbar liegt der umgebaute Heustadel gegenüber dem mehrere Jahrhunderte alten Bauernhof der Familie Staud. Stolz erzählt Franz Staud, dass er sämtliche Umbauarbeiten gemeinsam mit seinem Sohn selbst durchgeführt habe, inklusive einer indirekten Beleuchtung für seine Kunstwerke und die seiner Frau. Seine Kunstwerke sind etwas ganz Besonderes. Ich wusste schon, dass Franz Staud Bilder stickt, vor 2 Jahren war er als einer der lokalen Künstler eingeladen, anläßlich der Radio Tirol Sommerfrische im Bergsteigerdorf St. Jodok seine Werke zu präsentieren. Allerdings habe ich nicht erwartet, dass seine “Galerie” so umfangreich ist. Auch nicht erwartet habe ich, dass seine Frau Rosa ebenfalls eine Künstlerin ist – Franz behauptet sogar, sie sei die eigentliche Künsterlin im Haus, er mache nur kunstvolle Handarbeit. Was allerdings eine starke Untertreibung ist.

Franz stickt aus Leidenschaft, alle seine Bilder sind mit Kreuzstich gearbeitet. Begonnen hat er mit seinem Hobby bereits vor 30 Jahren, als er noch aktiv im Berufsleben war und als Polizist oft auch nach Dienstschluss nicht zur Ruhe kam. Er fand in der Stickerei einen schönen Ausgleich zum anstrengenden Job und sagt, dass die Stickerei für ihn, vor allem als er noch nicht pensioniert war, eine therapeutische Wirkung hatte. Seit 4 Jahren ist er nun in Pension und hat nun noch mehr Zeit für sein schönes Hobby.

Zeit, die er auch braucht, denn ein Bild mittlerer Größe hat ca. 41.000 Kreuze, das sind 82.000 Nadelstiche. Auf die Frage, wie lange er an so einem Bild arbeitet, sagt er ca. 750 Arbeitsstunden, also ungefähr 1 Jahr. Am schwierigsten sind Schwarz-Weiß-Bilder oder Bilder mit wenig Farbe, je mehr Konturen umso leichter die Arbeit.

Kunstwerke mit Rabenmotiven
Raben als Motive

Manche Vorlagen lässt er nach Fotovorlagen extra in Deutschland anfertigen, in Österreich gibt es keine Firma, die das macht. Einige Vorlagen lässt er von seiner Frau Rosa malen und Franz entwirft dann den Hintergrund, z.B. die Rabenmotive. Einige Bilder entstehen auch frei, wie ein Bild von den Flak-Türmen Wiens.

Gestickt wurden auch Bilder von den 4 Enkelkindern und den hofeigenen Katzen. Diese Werke sind unverkäuflich, auch einige Lieblingsbilder von Rosa werden nicht verkauft. Verkauft werden vorwiegend Auftragsarbeiten, wie Kissenbezüge, Babydecken und Handyhüllen. Motive können auf Wunsch angegeben werden. Wenn man die Zeit fürs Sticken berechnen würde, wären die Werke kaum zu bezahlen. Franz liebt jedoch einfach die Tätigkeit und freut sich, wenn jemand Gefallen an seinen Werken findet, seine Bilder sind ab ca. € 200,– erhältlich.

Der Großteil seiner Kundschaft gibt Bestellungen mit persönlichen Wünschen auf, neben Bildern werden hauptsächlich Tischdecken, Kissenbezüge, Babydecken und neuerdings Handyhüllen bestellt. Sehr oft arbeitet Franz auch an Geschenken für Freunde und Familienmitgliedern, es gibt immer wieder einen schönen Anlass – wie er sagt. Stolz erzählt Franz, dass er Stammkundschaft aus Sizilien hat, auch nach Polen und Rumänien sind seine Kunstwerke schon verkauft worden. Und als er mir eine Liste mit seinen Ausstellungsterminen der letzten Jahre zeigt, lese ich erstaunt dass dieser bescheidene Schmirner Künstler unter anderem bereits im Centro Trevi in Bozen und im Congresshaus Innsbruck ausgestellt hat.

Kissenhülle mit Trachtenpärchen
Auch Kissen werden bestickt.

Wer nun Lust bekommen hat, diese Galerie der besonderen Art zu besichtigen oder gern ein Werk in Auftrag geben möchte, kann sich gerne bei Familie Staud melden:

Adresse: Hochmark 20, 6154 Schmirn, Tel. +43/(0)5279 5427

 

 

 

 

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Kategorie : Kunst & Kultur
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